Drei Fragen an Dagmar Regorsek / Three Questions for Dagmar Regorsek

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English text below

Dagmar Regorsek ist seit 2000 selbstständig als psychologische Beraterin und beruflicher Coach tätig. In der TGR bietet Dagmar Regorsek Einzelberatungen und Workshops zum beruflichen Übergang an.

Interview mit Heather O’Donnell

HO: Dagmar, Du arbeitest seit mehreren Jahren als Beraterin für darstellende Künstler*innen. Was unterscheidet deine Arbeit mit darstellenden Künstlern von deiner Arbeit mit Angehörigen anderer Berufe?

DR: …mmmh… diese Frage weckt etwas Unbehagen. Denn auf einer individuellen Ebene ist wie man in Köln sagt, jeder Jeck anders. Das ist mir sehr wichtig, die Einmaligkeit und Einzigartigkeit jedes Menschen im Blick zu haben. Und da ist auch jeder darstellende Künstler mit seinem Anliegen ein Unikat. Du fragst nach Verallgemeinerungen, vielleicht Färbungen, die ich wahrnehme. Menschen, die auf der Bühne präsent sind oder die in Ihrem Fach Höchstleistungen erreichen, die können auch in Beratungssituationen viel Vitalität und Präsenz hineinbringen, selbst wenn Sie bedrückt sein sollten. Angebote, die kreativ, bildhaft, bewegt sind und Menschen auf allen Ebenen ansprechen, werden eher gerne aufgegriffen und als hilfreich erlebt. Tänzer sitzen höchstens 10 Minuten auf dem Stuhl, dann geht’s gemeinsam auf dem Boden sitzend und bewegend weiter… Zu berücksichtigen ist, dass ich ja mit Künstlern in Kontakt komme, die ein Anliegen haben, die Fragen haben und mit jemandem zusammen in ihre Antworten hineinwachsen möchten oder müssen. Das ist ein besonderer Ausschnitt. Ich nehme zudem wahr, dass Künstler oft gar nicht verwöhnt sind, einmal ungeteilte Aufmerksamkeit und Engagement für sich zu erleben, einen Raum für Ihre Anliegen zu haben. Da gibt es dann positives Staunen und auch große Wirkung für die Künstler und Ihre Entwicklung.

 

HO: Bei TGR bietest Du Beratung für Künstler an, die in ihrem Leben und ihrer Karriere auf schwierige Situationen stoßen. Was führt dich als Berater bei der Arbeit mit Menschen, die gerade schwierige Phasen in ihrem Leben durchlaufen?

DR: Erstmal ist es wesentlich, mich mit der einzigartigen Welt des Menschen zu verbinden, diese nach Kräften zu verstehen. Mich für ihn zu engagieren, in dem Sinne, in dem er es wünscht. Mich auf dieser Basis gemeinsam forschend auf seinen Weg zu machen. Ich gehe davon aus, dass jeder Mensch ein Vollsortimentsmensch ist, sprich alle Ressourcen in sich hat, die ihn dabei unterstützen können, weiter zu gehen. Wenn wir in schwierigen Situationen sind, verengen wir uns und wenn wir in einem geschützten Raum sind mit einem anderen wohlwollenden Menschen, können wir uns wieder weiten und können so neue Antworten finden.

Wichtig ist auch, auf welcher Ebene liegen die Schwierigkeiten. Gerade jetzt können Künstler tief auf einer existentiellen Ebene, der Ebene der Grundbedürfnisse betroffen sein, z. B. wo kommt das Geld für den nächsten Monat her. Da gilt es denn auch ganz praktische Schritte zu unternehmen. Wenn es eher um Zukunftsimpulse gewünschte Veränderungen, die noch gelebt werden wollen geht, dann ist der Weg ein anderer. So kann die Balance zwischen Innenwelt und Außenwelt auf sehr unterschiedliche und jeweils bestmögliche Weise jongliert werden.

HO: Kannst du ein paar Worte über deine "Toolbox" sagen? Du hast eine Ausbildung in lösungsorientiertem psychoanalytisch-systemischem Coaching und PEP Prozess- und embodimentorientierte Psychologie,  u.a.. Wie fließen solche Ausbildungen in deine Arbeit mit darstellenden Künstlern ein?

DR: Im beruflichen Bereich geht es ja auch darum, dass meine Eigenart, meine Möglichkeiten in eine gelungene Verbindung mit der Außenwelt gelangen, so dass ich bestmöglich mit meinen Kompetenzen wirksam bin. Anders ausgedrückt meine Psycho-logik und die Organisations- logik – es kann auch gesellschaftliche Logik sein, gilt es in eine gelungene Verbindung und Balance zu bringen. Wenn ich ein noch so guter Musiker bin, wenn es keine Stelle für mich gibt, dann ist das eine harte Grenze. Oder etwas weicher, ich habe Arbeit, fühle mich aber im Milieu nicht wohl. Also die Umgebung spielt eine große Rolle und die Wechselwirkungen zwischen mir als Person und der Umgebung – das ist der Blick des Systemischen!

PEP [Prozess- und Embodimentfokussierte Psychologie] ist insbesondere für darstellende Künstler sehr hilfreich. Die Auftrittssituation ist eine Situation, die wie eine Lupe wirkt. Letztlich gilt es, einen „reinen“ Raum herzustellen, in dem meine Musik, mein Tanz, mein Gesang, mein Schau-spiel vollendet zur Geltung kommt. Das ist anders als wenn ich etwas tippe. Ich kann dabei noch an meinen Einkauf denken oder kann mich auch trübsinnigen Gedanken hingeben. Das klappt beim Auftritt gar nicht. PEP bietet Möglichkeiten, sowohl auf der emotionalen, z. B. behinderndem Lampenfieber, wie auch auf der gedanklichen Ebene alles was sich dort tummelt und für den Auftritt nicht zuträglich ist, aufzugreifen und zu verwandeln. So kann eine für die Situation des Künstlers passende gute Selbstregulation gefunden werden.

Ich bin da ganz froh, dass ich mit diesen vielen verschiedenen Blicken, die ja unsere Vielfältigkeit und Vielschichtigkeit als Menschen versuchen zu erfassen, ganz gut wirken kann.

 

ENGLISH

Dagmar Regorsek has worked as a self-employed psychological counselor and career coach since 2000. At TGR, Dagmar Regorsek offers individual counseling and career transition workshops.

Interview with Heather O'Donnell 

HO: Dagmar, you have been working as a counselor for performing artists for several years. What distinguishes your work with performing artists from your work with members of other professions?

DR: …..mmmh… this question arouses some uneasiness. Because on an individual level, as they say in Cologne, every ‘Jeck’ is different. That is very important to me, to keep the uniqueness and singularity of each person in mind. And in that respect, every performing artist, with his or her concerns, is also unique. You ask about generalizations, perhaps shadings, that I perceive. People who are present on stage or who achieve high levels of performance in their field can also bring a lot of vitality and presence into counseling situations, even if the individual might be depressed. Offers that are creative, pictorial, involving movement, and that appeal to people on many different levels are more likely to be taken up and experienced as helpful. Dancers tend to be able to sit on the chair for 10 minutes at the most, then we continue together sitting on the floor and moving... This kind of thing has to be taken into account when I come into contact with artists who have concerns, who have questions, and who want to (or need to) grow into their answers together with someone. That is a special sector. I also notice that artists are often not at all used to the experience of receiving someone’s undivided attention and commitment to themselves, to carving out a space for their concerns. This experience can create a sense of positive amazement, and also have a great impact on the artists and their development.

 

HO: At TGR, you provide counseling to artists who are encountering difficult situations in their lives and careers. As a counselor, what guides you in working with people who are going through difficult periods in their lives?

DR: First of all, it is essential to connect with the unique world of the person, to understand it to the best of my ability. To engage with him or her in the kind of way in which he or she wants me to. Based on this, we set out on a path together, researching his or her personal situation. I assume that every human being is a full-range person, meaning that he or she has all the resources within himself/herself that can support going further. When we are in difficult situations, we tend to become narrow, and when we are in a protected space with another benevolent person, we can widen up again and thus find new answers.

It is also important to know on which levels the difficulties lie. Right now, artists can be deeply affected on an existential level, the level of basic needs, for example: where will the money for the next month come from? This is where very practical steps have to be taken. If the focus is more on future impulses and desired changes, then the way of working is different. So the balance between the inner world and the outer world can be juggled in very different ways which are deemed best for each individual.

 

HO: Can you say a few words about your "toolbox"? You have training in solution-focused psychoanalytic systemic coaching and PEP process and embodiment-oriented psychology, among others. How do such trainings inform your work with performing artists?

DR: In the professional sphere, I’m concerned with successfully connecting one’s own individual tendencies and abilities to the outside world, so that one can be as effective as possible with his or her competencies. In other words, one’s own psychological logic (psycho-logic) and the organizational logic - it can also be called social logic - must be fused into a successful combination and balance. No matter how good a musician one is, if there is no job for her, then that is a severe limitation. Or to present a milder scenario: one might have work, but doesn’t feel comfortable in the milieu. So the environment plays a big role and also the interactions between oneself as a person and the environment - that is the viewpoint of a systemic counselor!

PEP [Process and embodiment-focused psychology] is especially helpful for performing artists. The performance situation is something that acts like a magnifying glass. Ultimately, the goal is to create a "pure" space in which one’s music, dance, singing, acting can be fully appreciated. This is different than when I type something. I can still think about things like my shopping list, or I can also indulge in gloomy thoughts. That doesn't work at all when I'm performing. PEP offers possibilities both on the emotional level, for example in hindering stage fright, as well as on the cognitive level: to sense and be able to transform everything floating around that is not conducive to the performance. In this way, good self-regulation can be found which is well-suited to the artist’s situation.

I am quite happy that I am trained to work within these many different vantage points, with the aim of sensing out our diversity and complexity as human beings.

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Karrierewechsel und berufliche Umstrukturierung

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